Helgoland – Kirkwall

Helgoland – Kirkwall

23. Juli 2024 0 Von Jonathan Spaeth
24 Stunden lang liegen wir im Hafen auf Helgoland, verstauen die letzten Einkäufe und Gepäck, gehen Essen, tanken Diesel und Wasser. Als es los geht, laufen wir gemeinsam mit einem zweiten, gleich großen Schiff, der SY Nesaya aus, die ebenfalls nach Nord-Schottland möchte. Wohin genau, das steht für uns noch nicht fest. Wir wissen lediglich, dass wir so hoch in den Norden wollen, wie Wind und Laune erlauben. Binnen kürzester Zeit setzen wir den Code0 und laufen mit über sechs Knoten aufs Ziel zu. Mit der Nesaya liefern wir uns ein Rennen – eines, was wir dank des schwachen Windes leicht gewinnen können. Nach 24 Stunden Schwachwind und haben wir rund 20 Seemeilen Vorsprung und laufen unter Maschine. Der Wind ist eingeschlafen und gibt uns nur selten die Hoffnung, dass wir vernünftige Fahrt unter Segeln erwarten dürfen. Erst einen halben Tag später nimmt der Wind zu und dreht auf achterlichen Wind. Wir laufen unter Gennaker mit 8 Knoten aufs Ziel zu und bergen diesen erst kurz vor Mitternacht als es allmählich dunkel wird und der Wind weiter auffrischt und auf Halbwind dreht. Die nachte sind noch dunkel, dank des Hochdruckgebietes über der Nordsee aber angenehm mild. Irgendwann werde ich vom Motorengeräusch geweckt und Alex erklärt mir, dass die Batterie leer ist. Uns ist es unerklärlich, wie das so schnell gehen konnte, hatten wir doch vor 24h den Motor noch laufen und strahlenden Sonnenschein. Sicher, Kühlschrank, Autopilot und Musikanlage liefen auf Hochtouren, damit hatte ich dennoch nicht gerechnet. Der Wind nahm wieder ab und der Motor lud nun nicht mehr nur die Batterie sondern half uns nun auch vorwärts zu kommen. Nach einigen Stunden allerdings die Nächste Überraschung. Auf einmal viel der Motor aus. Keiner von uns hatte auf den Dieseltank geachtet und die Nadel des Anzeigers lag am Ende des roten Bereiches auf. Fängt ja gut an, dachte ich mir. Zum Glück war die See ruhig. Wir kippten 50 Liter Diesel aus Kanistern in den Tank und schauten uns den Motor an. Müssen wir entlüften? Im Filter ist keine Luft zu sehen. Wir versuchen es mal mit dem Anlasser. Der Motor stirbt nach wenigen Schlägen. Mehr Gas. Nochmal. Nochmal. Nochmal. Stück für Stück kommt der Motor zurück und nach einigen Malen und unter zusätzlichem Gas im Leerlauf fängt er wie gewohnt an zu Hämmern. Das ist nochmal gut gegangen. Der Wind beginnt wieder zu wehen. Erst aus West, dann zunehmend Nordwestliche Richtungen. Dann schläft er wieder ein. In der Nacht, gerade beim Schichtwechsel von mir zu Jojo, ziehen heftige Regenschauer über uns hinweg. Es ist kalt und nass. Bislang nur mäßiger Wind. Als ich mich gerade aus dem nassen Ölzeug geschält und in die Koje gelegt habe, fängt das Boot an sich zu krängen. 20, bald 25, dann bis zu 30 Knoten Wind prasseln zusammen mit Regen in das ungereffte Segel und selbst als wir das Großsegel vollständig geborgen haben und unter Fock laufen, liegen wir weit über gebeugt auf der Seite. Der Wind dreht weiter zu unseren Ungunsten. Wir wenden. Was für ein Fehler, hatten wir doch am Anfang der Etappe den Kutterstag angeschlagen, damit er nicht lästig gegen den Masten hämmert. Um zu wenden müssen wir so die Fock immer einmal einrollen und danach wieder ausrollen. Nach zwei, drei schnellen Manövern haben wir alles wieder im Griff und laufen auf dem Backbordbug in Richtung Schottland. Die Bohrinsel in Lee von uns funkt uns an. Wir mögen bitte einen deutlichen Abstand zu ihnen halten, sie haben auf Grund eine Bohreinrichtung. Wir versuchen das Maximum raus zu holen, nach erneutem Funkkontakt bestätigt der freundliche Funker jedoch, dass wir noch immer auf die Sperrzone zulaufen. Er erteilt uns dennoch grünes Licht unseren Kurs fortzusetzen und gibt uns den Wetterbericht für die nächsten 24 Stunden durch. West, Nordwest, West, Nordwest, alles um die 20 Knoten. Wir werden also die letzten 70 Seemeilen kreuzen müssen. Wir alle sind von der Nacht erschöpft, gleichzeitig aber vom immer näher rückenden Landfall angetan. Wir entschließen uns, Kirkwall auf den Orkney Inseln anzulaufen. Weitere 8 Stunden später Segeln wir um die lang ersehnte Landzunge der vorgelagerten Insel. Eine norwegische Yacht segelt entlang der Küste und weckt Jojos Ehrgeiz. Der Wind frischt auf und außer Jojo hat keiner mehr die Energie und den Ehrgeiz das Großsegel zu reffen. Statt dessen bergen wir das Segel und fahren unter Fock in die Bucht ein. Immer wieder müssen wir wenden. Motor an, Fock einholen, Wende, Fock setzen. Nach einigen Schlägen wird klar, dass wir so kein Rennen gewinnen werden. Bei einer der Wenden fliegt unerwartet eine der Segellatten aus dem Segel und landet neben uns im Wasser. Ein Segellatte-über-Bord-Manöver endet Erfolglos. Irgendwann, als der Wind durch die Landabdeckung abnimmt und wir eigentlich Segel setzen müssten, setze ich mich durch und wir Motoren mit 7 Knoten auf den Hafen von Kirkwall zu. Die Landschaft um uns herum ist saftig grün, die Felsen der Küste karg und zerklüftet. Wir kommen im Hafen an und finden eine ruhigen Platz der alles bietet, was wir uns wünschen können. Die freundliche Hafenmeisterin gibt uns Auskunft über den Ort und beantwortet diverse Fragen, von Diesel bunkern über Motorservice und Segelmachern bis hin zum Pub der Wahl. Wir schrauben noch an der einen oder anderen Stelle am Boot und ehe wir es uns versehen, ist es 20 Uhr. Als wir um 20:30 Uhr in der Stadt ankommen, klappt man gerade in gewohnter Manier die Bordsteine hoch und wir finden lediglich ein indisches Restaurant. Der nächste Tag wird genutzt um einkaufen zu gehen, zu reparieren, Diesel von der Tankstelle zu holen, Matratzen zu trocknen. Alex wünscht sich eine Runde Golfen, Jojo und ich gehen angeln. Um 21 Uhr kommen wir mit zwei Makrelen zum Boot zurück und Jojo bereitet mit Alex ein herrliches Abendessen mit Fisch und Gemüse im Ofen zu. Eine gute Malzeit, bevor es in rund 4 Stunden schon wieder weiter auf die Färöer gehen soll.