Nanortalik – Aapilatoq

Nanortalik – Aapilatoq

30. August 2024 2 Von Jonathan Spaeth

In Nanortalik ankommend genießen wir alle Vorzüge einer Stadt in Grönland. Wir duschen und erledigen die üblichen Besorgungen. Abends vermeldet der Captain ‚Landfall‘ und die Crew schwärmt aus – in eine der zwei Bars, die es in der Stadt gibt. Dort mischen sich jung und alt, Grönländer und Europäer. Insgesamt sind wohl um die vierzig Während die Grönländer recht zurückhaltend in Gruppen am Tisch sitzen, fängt eine kleine Gruppe englischsprachiger Gäste an zu tanzen und sich wild, fast schon unkontrolliert, durch den Raum zu bewegen. Hier und da stößt man (und Frau) beim Tanzen gegen einen Tisch oder eine Person. Was in Deutschland wohl kaum aufgefallen wäre, erntet hier viele Blicke und kaum merkliches Stirnrunzeln. Auch Dominik und ich verspüren ein steigendes Gefühl des Fremdschämens. Seitens der überwiegenden Gesellschaftsgruppe der Inuit kommt dennoch keine Kritik, keine Aufforderung, kein Rausschmiss. Erst als um Punkt 12 Uhr die Lichter an gehen und damit die Sperrstunde verkündet wird, verläuft sich die bunt gemischte Gruppe und wir machen uns auf den Weg zurück zum Boot.

In Nanortalik bleiben wir, anders als sonst, einen Ganzen Tag. Unsere primäre Mission: Einen Gas-Adapter für Grönländische Gasflaschen auftreiben.
Während ich kreuz und quer durch die Stadt laufe, bei Polizei, Polaroil (dem grönländischen Tankstellenbetreiber), Supermarkt, Fischmarkt, Fischer und Hotel nach einem Druckminderer frage, kaufen die anderen ein, machen eine Wanderung, Schrauben am Boot (wir haben nun endlich wieder einen Pinnenausleger) oder erkunden das Städtchen. Gegen 14 Uhr werde ich bei einem kleinen, um nicht zu sagen dem einzigen, Klempner und Metallverarbeitungsbetrieb der Stadt fündig. Er hat noch einen alten, gebrauchten Druckminderer im Schrank liegen. Es verbleibt die Herausforderung, wie wir den Druckminderer an unser Schlauchsystem angeschlossen bekommen. Denn in Grönland werden dickere Schläuche für das Gas verwendet. Man nutzt hier auch keine „verkehrt herum“ geschraubten Gewinde wie wir für Gas. Der nette Däne, dem der Klempnerbetrieb gehört, probiert allerhand Alt-Teile aus, die er gut sortiert in Schubladen liegen hat. Ein Anschluss an einen unserer Schläuche ist leider nicht möglich. Dafür überlegen wir uns jedoch, dass wir den Druckminderer mit einem neuen Schlauch und einer Schlauchschelle verbinden und am anderen Ende den Schlauch ebenfalls mit Schlauchschelle an unser Boot anschließen. Dass dort eigentlich nur ein halber Zentimeter Gewinde aus der Wand ragt, bleibt ein gewisses Risiko. Die Frage, woher wir einen Schlauch bekommen, wird zur neuen Herausforderung unserer Gas Odyssee. Nach rund zwei Stunden und drei verschiedenen Schläuchen, die der Klempner von Geräten abgeschnitten hat, haben wir eine Lösung. Ein Stück Schlauch seines Schweiß-Gerätes wird abgetrennt. Mit etwas Mühe auf den Druckregler gesteckt. An Bord stellen wir fest, dass es nicht ohne weiteres auf das noch dickere Schraubgewinde passt und während ich los ziehe um den Klempner zu bezahlen, als Dank für seine Mühen eine Flasche Wein zusätzlich einpacke und Gas hole, macht Axel sich mit der Bohrmaschine daran, den Schlauch weiter zu bohren. Am Abend jedenfalls haben wir 6 Liter Gas nachgekauft und freuen uns, dass Axel auch weiterhin jeden Morgen frische Brötchen backen kann. Zwischenzeitlich hat auch ein Containerschiff angelegt und ausgeladen. Nach wenigen Stunden liegt frisches Obst und Gemüse im Supermarkt. Wir kaufen die letzten Lebensmittel ein, kochen, zeigen ‚den Alten‘ die Bar, gehen zu Bett. Moment mal – irgendwo in dem Prozess hat einer meiner Mitsegler auch das Sieb unserer Bialetti im Hafenbecken versenkt.

Als wir am nächsten Morgen aufstehen, regnet es. Der Wind weht kräftiger und aus Süd. Nach dem Frühstück versuche ich das Kaffeesieb aus dem Hafenbecken zu tauchen – leider erfolglos. Zwar ist das Wasser klar und der Boden sandig, das Fährschiff am Vorabend scheint aber mit seinem Schraubenwasser genug Wirbel am Grund gemacht zu haben um dort ein mal alles durch zu kärchern. Wir segeln also ohne Kaffeesieb weiter. Es verbleibt ja noch unsere French Press.

Während wir gen Süden in Richtung des Prins Christian Sundes fahren, nimmt der Wind immer weiter zu. Erst 15, dann 20 Knoten wehen uns entgegen. Der Wind ist ungewöhnlich warm. Erst als wir die Inner Lead Route verlassen, nimmt die Welle auf ein, bald zwei Meter zu und schüttelt uns kräftig durcheinander. 30, dann 35 Knoten Wind. Bei steiler Welle und unter gerefftem Großsegel und Motor fahrend, verlangen wir unserer Glant einiges ab. Immer wieder dreht die Schraube hohl. Immer wieder kommen große Mengen an Wasser über das Deck.

Als wir in den Sund einbiegen und die Welle abnimmt, erwarten wir gleich da zu sein, es ruhiger zu haben. Wir fahren nun nicht mehr gen Süden sonder Osten. Die Welle wird zwar ruhiger, der Wind bleibt aber zu unserem Nachteil gegen an. Immer wieder erwischen uns heftige Fallböen und bremsen uns aus. 30, 35 – bald sogar 40 und in der Spitze 43 Knoten Wind. Wenn eine solche Böe auch nur leichte Angriffsfläche bei unserem Großsegel findet, werden wir derart auf die Seite gedrückt, dass unsere Reling bis oben im Wasser versinkt und die Schraube ganz ohne Wellen hohl dreht. Zum Glück gehen die Böen auch immer wieder vorüber. Als wir in Richtung Norden eindrehen, voller Erwartung, der Wind würde NUN endlich mit uns sein, erneut eine Enttäuschung. Er bleibt konstant gegen an, dreht aber bald zwischen den Bergen mit kräftigen Fallböen quer aufs Boot. Axel, der inzwischen von leichten Anflügen der Seekrankheit erholt und an Deck ist, geht Ruder, während ich ihm die Backstage und die Großschot bediene und nicht aus der Hand lege. Bei den Böen fieren wir das Groß bis zu den Wandten, beschleunigen aber dennoch auf 7-8 Knoten Fahrt. Endlich geht es voran.

Als wir am Abend im Hafen ankommen sind wir alle geschafft. Wir gehen bei einer Dänischen Yacht längsseits. Ein Großteil des Bootes, insbesondere das Vorschiff, sind Nass vom tiefen eintauchen in die Wellen und die See. Das Gepäck ist hier und da durchs Boot geflogen und Dominiks Tasche hat alles darin verstaute ausgespuckt und von rechts nach links, vorn nach hinten in der Achterkoje verteilt. Was für ein Ritt, denken wir uns während wir Pfannkuchen zum Abendessen braten. Der Luxus von genügend Gas, ruhigem Hafen und gedecktem Tisch wird uns nur noch wenige Tage begleiten. Nach einer herrlich warmen Dusche im Schulgebäude falle auch ich ins Bett.

Den kommenden Tag lassen wir mit nur wenig Aktivität verstreichen. Wir machen letzte Erledigungen, schreiben Postkarten, machen einen Ausflug zum 15 Seemeilen entfernten Gletscher in der Hoffnung, ihn kalben zu sehen. Nach knapp drei Stunden schieben wir uns langsamer werdend durch immer enger werdende Felder aus feinem crushed ice. Bis auf wenige Meter fahren wir an den Gletscher heran und warten eine Weile um ihn kalben zu sehen. Immer wieder lösen sich mit krachen kleinere Eis-Lawinen und stürzen ins Wasser. Nach einer guten Stunde drehen wir um und fahren zurück in Richtung Aapilatoq, bereiten parallel einen großen Couscous Salat fürs Abendessen vor und kochen Nudeln mit Lauch-Sahne-Soße. Als wir mit Sonnenuntergang in den Hafen einlaufen, ist der Tisch bereits eingedeckt.

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