Grönland – Island, Part I
Nach erfolgtem Frühstück, bei welchem wir immer wieder skeptisch an Deck geschaut haben, weil die Fallböen aus wechselnden Richtungen nun mit bis zu 30 Knoten auf das Boot einwirkten, machen Dominik und ich uns auf den Weg an Land. Im Gepäck haben wir neben der Handfunke noch das Gewehr und die restliche Munition. Beides wollen wir nicht mitnehmen und verschießen daher die Munition (mit einem Trefferradius von mehr als einem Meter im Durchschnitt – ich bin mir nicht Sicher, ob ein Eisbär sich fürchten müsste), bevor wir das Gewehr in einer beschrifteten Plastiktüte verpacken und „zu verschenken“ in der alten Jagdhütte hinterlassen. In Anbetracht dessen, dass Waffen in Grönland nicht registriert werden, erscheint uns das eine der besten Möglichkeiten zu sein und gefällt mir besser als es zu vergraben oder im Meer zu versenken. Danach lösen wir, nach kurzem Funkkontakt die erste Landleine, gehen zum Dingi zurück und lösen nach Bestätigung durch Axel und And res die zweite. Während Dominik und ich uns an der zweiten Leine so schnell wie möglich zum Boot zurück ziehen, kämpft Axel unter Motor gegen die Fallböen an und Andres holt einen Teil der Ankerleine ein damit wir nicht gegen die Felsen treiben. Wir laden so schnell wir können alles vom Dingi an Bord, ziehen das Dingi rauf und falten es zusammen. Innerhalb der wenigen Minuten, die wir dafür brauchen, treffen uns zwei starke Fallböen. Gerade als ich das Dingi in die Segellast lade, vermeldet Andres „Anker ausgebrochen“. In Eile versuchen wir den Anker zu Bergen, Axel das Schiff so hinter den Anker zu bringen, dass wir gegen den Wind fahren und den Bug im Wind halten können. Leider ohne Erfolg. Der Anker treibt frei und die Drift des Schiffes wird immer größer, während Andres und ich mit aller Kraft an der Ankerleine ziehen, bis wir kurze Zeit später endlich die Kette in der Hand halten. Der Anker hängt noch einige Meter tiefer im Wasser, ist über und über mit Seegras und Schlamm überzogen. Axel kann inzwischen zum Glück das Schiff mit kräftigem Rückwärtsgang auf der Stelle halten während ich mich am Anker zu Schaffen mache und Stück für Stück den halben Kubikmeter Etwas entferne. Als das Ankerg eschirr leicht genug ist, heben wir es zu dritt heraus und entfernen den restlichen Schlamm und das Seegras. Langsam kehrt ruhe ein, während Axel in der kleinen Bucht unter Maschine seine Kreise dreht und wir das Boot klarieren. Beim verlassen unserer „geschützten“ Bucht trifft uns die Düse des Fjordes. Um die 40 Knoten Wind von Achtern peitschen die See auf. Unter gereffter Fock und 9-10 Knoten Fahrt schießen wir aus dem Fjord hinaus, wohl wissend, dass die Düse bald ihr Ende haben würde. Als wir jedoch eine Stunde später innerhalb weniger Minuten einen 180° Winddreher haben und dieser nun gegen an weht, sind wir doch alle überrascht. Zum Glück, muss ich sagen, weht der Wind jetzt nur noch mit 20 knoten und nach kurzer Zeit mit gerefftem Großsegel und Motor passieren wir die letzten Engstellen. Danach fallen wir ab, setzen das Segel und nehmen Kurs in Richtung Island. Der Wind bleibt weiterhin wechselhaft und die See ist aufgewühlt mit einer hohen Kreuzsee aus Süd und Nordost. Wir wechseln immer von Motor auf Segel und umgekehrt. Erst am Abend kommt ein konstanter, auffrischender Wind aus Südwest auf. Kurz vor Dunkelheit reffen wir das Großsegel und Hebeln dabei einen der Checkstage aus der Halterung im Masten. Für den Augenblick sollte der Backstag den Masten halten, bei Helligkeit müssen wir auf jedenfalls aber zeitnah hoch klettern und den Stag reparieren. Als ich um zwei Uhr meine Wache antrete, ist es ungewohnt warm, der Himmel klar und von Sternen übersäht. Der Südwind hat ungewöhnlich hohe Temperaturen (um die 10°C) mitgebracht und macht meine Wache bei aller Müdigkeit und gelegentlichen, wenige Minuten andauernden Nickerchen an Deck, zu einer angenehmen Zeit. Der Wind flaut wieder ab, und dreht irgendwann auf Ost. Wir segeln wieder gegen an. Dann gebe ich die Wache an Axel ab und lege mich mittschiffs in die Koje, wo ich nach kurzer Zeit einschlafe. Nach dem Aufstehen kehrt die übliche Bordroutine bei Überfahrten ein. Wir essen nach einander, dann wenn wir Hunger haben. Meist schlafen ein- oder zwei Mitsegelnde länger als die Anderen. Heute bin ich das – bis ich mir einen Ruck gebe und aufstehe. Ich will die Windstille nutzen und Klettere nach einem kurzen Frühstück in den Masten hoch. Besser gesagt, ich lasse mich hoch ziehen. Während ich mich an den Mast klammere und gelegentlich an den Salingen oder Beschlägen nach oben drücke, kurbeln und ziehen Andres und Dominik unten an zwei Leinen, die mich nach oben bringen und sichern. Nach wenigen Minuten ist alles wieder in Ordnung gebracht. Wir nutzen die Gunst der Stunde und füllen rund 30 Liter Diesel nach. Während wir in der Sonne sitzen und uns über die rund 16°C freuen, die unser Thermometer anzeigt, hoffen wir auch immer wieder auf einen auffrischenden Wind. Bis dahin nutzen wir die Zeit bestmöglich indem wir uns mit Eimern von Seewasser duschen, mit dem T -Shirt an Deck sonnen, Skat spielen, Sudokus machen und Kochen. Erst nach dem Abendessen setzt der Wind wieder ein und wir fangen das Prozedere des Vorabens von neuem an.
Aktuelle Position: 61°29’N, 37°04’W Kurs: 85° Distanz bis Reykjavik: 445 SM
Aktuelle Position: 61°29’N, 37°04’W Kurs: 85° Distanz bis Reykjavik: 445 SM