Nanortalik – Paamiut & Bilder Island – Paamiut

Nanortalik – Paamiut & Bilder Island – Paamiut

17. August 2024 3 Von Jonathan Spaeth
Wir verlassen Nanortalik am frühen Morgen und kämpfen uns bis in den späten Abend hinein gegen den kalten Nordwind an.
Zwar haben wir eine „Inne Route“ gewählt, bei der wir vermeintlich durch Land bessere Bedingungen erwarten dürfen, der Wind bläst aber dennoch vehement aus der falschen Richtung. Wenn ich Falsch sage, dann durchaus bewusst. Denn an jedem Kap und in jedem Fjord denken wir von neuem, dass wir nun endlich segeln können. Die Berge lenken leider aber den Wind so um, dass er mal aus Nord, mal aus West und selten aus Ost kommt – jedoch IMMER gegen an. Am Abend gehen wir hinter einer kleineren Insel in einer gut geschützten Bucht mit mäßig gutem Ankergrund.

Die Insel selbst ist aber für eine Erkundung durchaus interessant – die Überbleibsel des kalten Krieges ragen mit hohen Antennen in den Himmel. Eine Radio Station für Telekommunikation, UKW, See- und Luftfunk und diverse andere Dinge steht hier, erfahren wir später als eine Freundin uns das Schild übersetzt, welches bei der Ankerbucht steht. Damit verbunden wird gebeten, dass man nichts beschädigt – man könne es ja vielleicht irgendwann selbst brauchen. Unterzeichnet wurde das Schild mit drei Einschusslöchern. Humor der Grönländer eben.

Jedenfalls müssen Jojo und ich unbedingt jedes Häuschen, jedes Lager und die gesamte Insel erkunden und kommen erst mit dem allerletzten Sonnenschein zurück zum Boot.

Den nächsten Morgen stehen wir früh auf und kämpfen uns erneut stück für stück gegen den anhalten schlechten Wind an. Wir durchfahren Engstellen in Fjorden und während ein 30 Meter langes Versorgungsschiff uns entgegen kommt, fragen wir uns immer wieder, ob es wohl tief genug sei für unser kleines Boot.

Ironischer Weise ist die einzige Durchfahrt durch das Kap Desolation, die uns das Leben wirklich erleichtern würde, aufgrund der geringen Tiefe selbst bei Hochwasser für uns nicht Schiffbar. Lediglich bei Spring-Hochwasser kämen wir knapp über den Kanal mit geringer Tiefe hinweg.

Als wir in Arsuk anlanden wollen steht bereits großer Schwell im Hafen. Hier können wir nicht liegen bleiben. Selbst die netten, jungen Iren, die uns freundlich längsseits einladen und deren Yacht deutlich stabiler in der Welle liegt, scheinen wenige Minuten später abgelegt zu haben. Denn während Bernd, Merle und ich zum Ankerplatz fahren, macht Jojo Aufnahmen von der Siedlung im Sonnenuntergang mit seiner Drohne – kein Boot zu sehen. Schade, die beiden haben mich durchaus an Clarissa und meine erste Reise nach Grönland erinnert und nur zu gern hätte ich mehr über deren Hintergründe und Erlebnisse erfahren.
Unsere Ankerbucht, nur zwei Kilometer entfernt hinter der Insel war dafür herrlich ruhig. Mit Leine an Land, einem Anker zur Stabilisierung und zweiter Leine auf eine Absperrleine der Bucht konnten wir dafür tief, fest und sicher schlafen.
Der Landgang am nächsten Morgen in Arsuk wird allerdings in aller schnelle erledigt, während Bernd mit dem Boot kreise in der Bucht dreht. Es steht schwerer Schwell auf der Siedlung und selbst die Inuit schauen besorgt nach ihren Booten. Eisklumpen und Growler treiben im Hafen. Ich kaufe ein bisschen Essen ein, frage ohne erfolg hier und da nach „Tupilak“, kleinen Figuren aus Knochen oder Horn, die aus der Zeit des Inuit-Schamanismus stammen und heute für Touristen angefertigt werden und kehre zum Pier zurück.

Es besteht nun keine Chance mehr, dass Bernd mit der Glant an dem Pier anlandet. Zu groß wäre die Gefahr, dass wir einen schweren Schaden von den rauen Balken, dem halben Meter Schwell und den kleinen Growlern im Wasser davon tragen würden. Zu meinem Glück finde ich dann aber einen netten Inuit, der mich zur Glant hinausfährt und mich übersteigen lässt. Wir setzen erneut Segel – oder viel mehr Motor – und fahren gen Norden, während unser Zeitfenster, rechtzeitig in Nuuk anzukommen, immer enger wird.

Der Wind ist noch stärker und die See rau. Dass wir die 80 Meilen bis nach Paamiut schaffen ist beinahe ausgeschlossen, spätestens jedoch als wir einige Stunden in einem Seitenarm des Fjordes versuchen auszuharren bis der Wind etwas abschwächt.

Auch hier bleiben wir erfolglos und segeln einige stunden später, nur wenige Seemeilen weiter frustriert in eine Bucht. Die Revierführer, denen wir sonst unsere Ankerbuchten und Hafenpläne entnehmen, geben keinerlei Aufschlüsse über die Bucht, es gibt aber auch keine alternativen in der Nähe. Wir versuchen drei verschiedene Stellen, jedoch gefällt uns am Ende keine davon so richtig. Letzten Endes legen wir den Anker am letzten Ende einer in den Karten eingezeichneten Bucht und fahren rückwärts gen Land – der Wind hat nämlich im Fjord 180° gedreht. Leider dreht er noch dazu immer wieder. Mit zwei Landleinen jedoch, die das Boot nach Nord und Süd verzurren, sind wir am Ende alle zufrieden.

Jojo geht angeln, Bernd kocht, Merle und ich tun auch irgendwas…das wichtigste aber kommt direkt nach dem Ankern. Wir alle gehen ausgiebig Baden und waschen uns mit dem kühlen, arktischen Wasser – Haare inklusive, versteht sich.

Als ich um 6 Uhr mit Bernd wieder los segeln will, merke ich dass mich meine Kräfte verlassen und Frustration einkehrt. Frustration über das Wetter, dass uns seit Tagen einen Strich durch die Rechnung macht. Über den Wind, der seit Tagen gegen an weht und 2015 nie zu finden war. Über den Zeitplan, der uns zwingt jeden Tag weiter zu fahren.

Ich schaffe es nicht wie sonst mit Leichtigkeit aus dem Bett aufzustehen sondern bitte Bernd um eine weitere Stunde Schlaf – auch wenn das bedeutet, dass wir später mehr Wind gegen an haben werden. Nach dreißig Minuten schäle ich mich dann doch aus dem Bett und weitere 30 Minuten später fangen wir an unsere Leinen (die fast wie ein Spinnennetz aufgebaut sind) abzubauen und den Anker zu lichten.

Wir versuchen es noch einmal mit dem Großsegel zur Unterstützung um besser gegen die 20-35 Knoten Wind, die immer wieder das Boot fast gänzlich aufstoppen, an zu kommen. Tatsache – das funktioniert besser. Wir kämpfen zwar noch immer, nähern uns aber mit rund 5 Knoten unserem Ziel, Paamiut.

Immer wieder kämpfen wir mit kräftigen Böen und zunehmendem Eis, letzten Endes laufen wir aber nach einigen Stunden in die geschützte Bucht von Paamiut ein. Dort angekommen sind wir primär über den Landstromanschluss begeistert. Das letzte mal hatten wir in Island die Möglichkeit unseren kleinen Keramikheizlüfter in Betrieb zu nehmen und trocknen nun alles, was die letzten Tage nass wurde, seid Tagen nass ist oder durch das Kondenswasser an der Außenwand dauerhaft klamm bleibt.

Wir finden nicht nur eine Dusche für stolze 15 Euro pro Person, sondern auch eine Waschmaschine um den lange überfälligen Wäschevorrat aufzufüllen. Wir gönnen uns einen ganzen Tag Pause und tanken neue Energie. Wir finden Tupilaks, kleine Mitbringsel für die Kinder, gehen Essen, schließen Bekanntschaft mit der netten, sehr hilfsbereiten Betreiberin des Hotels und ihren Gästen.

Und – wir buchen die Flüge um. Es besteht nämlich inzwischen keine Chance mehr, dass wir Nuuk rechtzeitig erreichen und alle Versuche von Paamiut nach Nuuk zu kommen, sei es via Fähre, Hubschrauber, Flugzeug oder einem Motorboot sind gescheitert.