Island – Grönland, Part II
Die Stunden und Tage vergehen. Es bleibt ein Wechsel aus zu wenig Wind, dann jäh auffrischenden Winden, bevorzugt am späten Abend, die uns zwingen die Segel zu reffen. Hinzu kommt, dass wir schon kurz nach dem Bergfest feststellen müssen, dass uns das Frischwasser im Tank ausgeht. Wir haben auf zu großem Fuß gelebt und tragen nun die Konsequenzen. Gespült wird ab den ersten Anzeichen nur noch mit Seewasser, Wärmflaschen werden bald auch nur noch mit Seewasser gefüllt und immer mehr Tätigkeiten und auch kleine Wasserverbräuche auf Seewasser umgerüstet. Eigentlich ein gewohntes Verhalten für den erfahrenen Offshore-Segler. Es scheint dennoch, dass wir es bei jeder längeren tour wieder von neuem lernen müssen. Bernd verköstigt uns, wann immer das Wetter es her gibt mit frisch gekochtem, leckerem Essen. Das hält die Stimmung hoch und gibt die notwendige Energie immer weiter zu machen. Curry Gemüse mit Reis, Salat, Bohnensalat, Nudeln. Dank des kalten Wassers um uns herum halten sich die Lebensmittel gut. Außer des Kochens, den ausgedehnten Schlafzeiten (wenn die letzte um 18 Uhr aus dem Bett aufsteht, legt sich der erste bereits wieder hin) und den notwendigen Segelmanövern gibt es wenig an Bord zu tun. Ein kleines Highlight ist eine Gruppe von rund 20 Pilotwalen mitsamt Kind, die uns besuchen kommt und eine Zeit lang begleitet. Trauriges Low-Light ist eine Möwe, die sich beim ziehen Ihrer Bahnen durch die Wellentäler in unserer Angelleine verfängt. Mit Handschuhen gelingt es uns das Tier ans Boot heran zu holen, die Leine aus ihrem rechten Flügel zu entfernen und ihr die Freiheit wieder zu schenken. Erleichtert schauen wir ihr dabei zu, wie sie davon fliegt. Noch immer kein Eis in Sicht. Wir sehnen uns dem Ziel entgegen. Es wird absehbar, dass der Diesel ausreicht und wir schmeißen den Motor an, wann immer wir weniger als vier Knoten Fahrt machen. Noch 300 Seemeilen. Bald nur noch 200. Jedes mal, wenn die erste Ziffer sich ändert, freuen wir uns mehr. Bei erreichen der 199 ist es bereits später Abend. Sechs stunden lang hält die Finsternis an. Jojo und ich wechseln uns bei der Wache ab und versuchen krampfhaft zu erkennen, ob irgendwo ein Eisberg sein könnte. Wegen des diesigen Wetters und der stark gefallenen Temperaturen bleibt das Ausschau halten eine mühsame Aufgabe, wenn auch versüßt durch die Seemeilen bis zum Ziel, die nun Stück für Stück weniger werden und bald von drei- auf zweistellig wechseln. Eine letzte Nacht bei auffrischenden Nordwinden nah unter Land und vermutlich mit Eisbergen und Growlern hier und da, die wir nicht sehen können, liegt nun vor uns und zwingt uns ab Mitternacht die Fahrt auf das größtmögliche Minimum zu verlangsamen. Am Sonntag, den 11.8.2024 gegen 10 Uhr werden wir voraussichtlich die kleine, stillgelegte Wetterstation am südlichsten Zipfel Grönlands, dem Kap Farvel, erreichen und in den Prins Christian Sund einlaufen um die Grönländische Südspitze in einem tiefen Fjord zu durchfahren.